Tonsäule, Zeilenlautsprecher oder Lautsprecherzeile - ein Kampf mit der Physik

Stand vom Februar 2002, Abschnitte über Wirkungsweise und Vorteile fehlen

 

Während im HiFi-Bereich, speziell durch das in den letzten Jahren stark gestiegene Interesse am Surround-Sound, immer wieder nach einer möglichst ungerichteten, breit streuenden, diffusen Wiedergabe von Lautsprechern verlangt wird, so ist bei der Beschallung von großen Räumen oder im Freien das genaue Gegenteil gefragt. Hier wird eine definierte, eingeschränkte Richtcharakteristik verlangt, z.B. um in Hallen keine Echos von der Decke zu produzieren, oder um mit stark bündelnden und damit weit tragenden Systemen große Entfernungen zu überbrücken.

Im professionellen Umfeld wurden hier in den letzten ca. 15 Jahren enorme Fortschritte erzielt, es gibt heute zu jedem hochwertigen Lautsprechersystem Datensätze, die, in entsprechende Simulationsprogramme eingelesen, im Vorfeld Aussagen über die erreichbare akustische "Ausleuchtung" z.B. eines Stadions erlauben.

Diese professionellen PA-Lautsprecher erzielen ihre Richtwirkung meistens durch den Einsatz von Hornkonstruktionen. Deren Einsatz ist im Mittel- und Hochtonbereich heute qualitativ hochwertig und mit vorhersagbaren Ergebnissen möglich und durchaus auch im nicht-professionellen Umfeld bezahlbar. Etwas anders sieht es immer noch im Grundton- und Bassbereich aus. Fertige Hörner für Frequenzen um 200 Hz sind teuer, der Selbstbau aufwendig. Aber Richtwirkung läßt sich nicht nur mit Hörnern erzieln.

Tonsäule (Itec) Eine Lautsprechersäule, gelegentlich auch Zeile genannt, obwohl sie i.d.R. nicht waagerecht wie eine Zeile verwendet werden, ist ein Richtstrahler, der den Schall gebündelt abstrahlt. Und zwar in der Richtung gebündelt, in der die Einzelstrahler angeordnet sind, in diesem Fall also senkrecht. 1)   Horizontal gilt die, wegen der meist kleinen Membrandurchmesser, geringe Richtwirkung der Einzelchassis.

Wenn also in der Lautsprechertheorie beim einzelnen Chassis bei Frequenzen, deren Wellenlänge kleiner als der Umfang der Membran ist, von einem Kugelstrahler ausgegangen wird, so ist diese Anordnung das genaue Gegenteil, nämlich ein Linien- oder besser Gruppenstrahler, denn die gedachte Linie ist ja in Wirklichkeit eine Gruppe von Einzelstrahlern. Funktionieren kann das nur, wenn der Abstand der einzelnen Strahler zueinander kleiner ist, als die abzustrahlende Wellenlänge und so kommt man automatisch zu der charakteristischen Anordnung von mehreren, typischerweise 4-8 gleichen Chassis in einem Gehäuse, in den Abmessungen so knapp wie möglich an den Platzbedarf der Chassis angepasst. Neuere Entwürfe haben oft ein separates Hochtonchassis, früher wurden auch einzelne der Membranen mit einem Hochtonkegel versehen.

In den technischen Unterlagen der Firma Telefunken aus den um 1950 wurden die Produkte Tonsäulen genannt, die Firma K+H bezeichnet auch heute ihre Gruppenstrahler so. Mir gefällt dieser Ausdruck und ich werde in hier als Bezeichnung für diese Lautsprecher verwenden.

Tonsäulen wurden früher oft vom Volumen her großzügiger gebaut, es gab Ausführungen mit Chassis von ca. 20 cm Durchmesser. Diese großen Ausführungen waren gelegentlich in die Wand eingelassen und wurden hauptsächlich bei höheren Anforderungen an die Belastbarkeit eingesetzt, in größeren Hallen, z.T. auch in Stadien. Die weiter verbreitete Ausführung mit Chassisabmessungen bis 16cm, meistens aber 13cm oder kleiner dominierte aber immer und heute werden vielfach noch schlankere Säulen angeboten.

Vor einigen Jahren noch durchaus präsent, aber in der letzten Zeit zunehmend ersetzt durch "modernere" Lösungen, findet man heute die klassische Lautsprechersäule vor allem noch in Kirchen. Ende der 90er Jahre konnte man selbst in der Harmonie Heilbronn, einem Veranstaltungssaal mit großer Bühne und Konzerteignung, noch rechts und links von der Bühne große, in die Wand eingelassene Lautsprecherzeilen bemerken. So auch in einigen anderen Mehrzweckhallen.  In der Stadthalle in Ellhofen war gar ein ganzes Dickicht von verschieden ausgerichteten und verschieden "großen", sprich langen Zeilen auf beiden Seiten neben der Bühne befestigt. Diese Installation war mit kleinen Chassis und damit schmalen Zeilen ausgerüstet. Optisch eindrucksvoll im Stil "sichtbare Technik" aufgebaut, war mit dem Klang dieser Anlage allerdings niemand zufrieden und so wurde sie 2001 abgebaut und durch eine Standard-PA Installation ersetzt, wie es zuvor auch schon in der oben erwähnten Harmonie geschehen war.

1) Nebenbei: Natürlich funktioniert das Prinzip der Richtwirkung durch Interferenz von Einzelstrahlern auch beim liegenden Lautsprecher ! Ich erinnere mich sehr gut an eine Demonstration während eines Seminars über technische Akustik, als die Vortragenden eine waagerecht gehaltene Zeile mit vielleicht 15 sehr kleinen Chassis über das Auditorium schwenkten. Der Eindruck, vom wiedergegebenen Rauschen getroffen zu werden, wie vom Kegel einer Taschenlampe, war etwas völlig ungewohntes.

Warum haben die Tonsäulen einen schlechten Klang ?

Nun, zunächst muß man einmal fragen: Ist das wirklich so ? Betrachten wir die modernsten Installationen, so kommen wir zu den extrem schmalen  und zierlichen Lautsprechern, die heute vorwiegend in Kirchen installiert werden. Nun kennt jeder die Übertragungsqualität dieser Anlagen, die Stimme der im Altarraum sprechenden Personen wird absolut körperlos, ohne Grundtonbereich und typischerweise ohne Hochtonanteile (Zischlaute) wiedergegeben. Dafür aber mit einer erstaunlichen Klarheit und Verständlichkeit. Jeder, der einmal in einer Kirche versucht hat, mit jemandem zu sprechen, der mehr als ein paar Schritte entfernt stand, weiß, wie schwierig das sein kann. Durch die extreme Halligkeit des typischen Kirchenbaues, geht die Verständlichkeit schnell verloren, man muß schon sehr langsam und deutlich sprechen, um verstanden zu werden. Oder aber einfach näher herangehen.

Nun, genau das macht die L-Säule: Sie transportiert den Schall näher heran, und zwar nicht nur durch die üblicherweise vielfache Anbringung, z.B. an den Säulen des Gebäudes, sondern vor allem auch durch ihre Richtwirkung in die Tiefe des Raumes. Dabei wird in einer Kirche keine Disco-Qualität verlangt, zumindest in europäischen Gefilden bisher nicht. Was aber verlangt wird, ist unauffällige Integration in das oft historische Umfeld des Bauwerks. Und so sind die Hersteller zu Lösungen gelangt, bei denen Chassis in der Größenordnung von 50mm Durchmesser verwendet werden. Belastungsmäßig ist das heute kein Problem mehr.

Die Kirchenlösung kann also nicht als Maßstab für die grundsätzliche Qualität einer Tonsäule dienen, denn sie ist i.A. auf Sprachübertragung ausgerichtet. Bleiben die anderen Beispiele, und die sind schlimm genug. Warum? Das kann ich nur vermuten. Ich habe noch keine Anlage gehört, deren Säulen mit z.B. 20cm-Chassis aufgebaut war, zumindest nichts anderes als Sprachwiedergabe. Ich würde mir auch nichts Besonderes davon versprechen, denn diese Installationen sind alle mindestens 30 Jahre alt.

Ich habe aber ausgiebig die Installation in der Turn- und Festhalle Untergriesheim gehört. 6 Lautsprecher von etwa 65cm Höhe, vermutlich jeweils mit 6 x 10cm Chassis aufgebaut, sicherlich kein Hochtöner, Gehäuse sehr robust aus Metall, möglicherweise wetterfest, mit abgerundeter Formgebung, also mit minimalem Volumen. Diese Anlage ist definitiv nur für Sprachwiedergabe geeignet und selbst das, wegen des fehlenden Hochtonbereiches, nur mit Einschränkungen. Eine ansprechende Musikwiedergabe ist nicht möglich, geschweige denn, wie bei den hier stattfindenden Faschingsveranstaltungen gefordert, eine gewisse Rythmusfähigkeit, sprich ein ausreichender Bassanteil, der auch mal "Eindruck" machen kann und die Darbietung einer Tanzgruppe z.B. fördernd unterstützen könnte.

All das ist mit einer modernen PA problemlos möglich, es gibt eine schier unüberschaubare Zahl von Anbietern, die Kosten sind in den letzten Jahren ständig gefallen. Zwei Vollbereichsboxen, z.B. mit 15"-Bass in 2- oder 3-Wege-Ausführung, ein kräftiger Verstärker ab 2x250 W, ein parametrischer Equalizer als preiswertes Digitalgerät, damit wäre doch alles zu machen. Oder etwa nicht ? Na ja, nicht alles, leider ....

Denn eines kann eben keine "normale" PA-Box: Die ausgeprägte Richtwirkung einer Tonsäule auch und gerade im Grundtonbereich weit unterhalb 1 kHz, könnte bestenfalls mit großvolumigen Hornkonstruktionen erzielt werden. Solche Lautsprecher werden eingesetzt, um große Stadien zu beschallen, Long Throw heißt das im englisch geprägten Fachchinesisch. So etwas kommt natürlich für die Untergriesheimer Turnhalle überhaupt nicht in Frage. Der Platzbedarf wäre nicht zu verantworten und die mögliche Leistung absoluter Overkill. Die "Säulen" haben also durchaus ihre Berechtigung, denn Richtwirkung ist nötig, wenn man einen länglichen Raum so beschallen will, daß den vorne Sitzenden nicht die Ohren abfallen, während die in der Mitte oder weiter hinten Sitzenden noch genug hören. Oder wenn man vorne keinen hohen Pegel erzeugen kann, weil die Nähe der Bühnenmikrofone sonst eine Rückkopplung produzieren würde.

Wenn sie nur nicht so scheußlich klingen würden....

K+H, ein traditioneller deutscher Hersteller u.a. von Tonsäulen, wäre sicher nicht begeistert, wenn man ihre Produkte als "scheußlich klingend" bezeichnen würde, und das mit Fug und Recht. Denn es kommt immer auf die Ausführung an. Während meiner Studentenzeit, wurde der Speisesaal der Mensa mit Tonsäulen von K+H ausgerüstet. Ich erinnere mich gut an meine negative Einstellung, als ich das sah und an meine Überraschung, als zum ersten Mal Musik übertragen wurde. Die Wiedergabe hatte nämlich gar nichts vom erwarteten "Kirchen"-Charakter sondern war angenehm und voll musiktauglich.

Also was jetzt ? Die vielen bekannten Negativbeispiele, die umgerüsteten Hallen sprechen doch eine deutliche Sprache ? Oder muß man sich auf Telefon (Sprach-) Qualität beschränken ?

 

.... wird noch ergänzt